Skip to main content

Dynamisches Kihon, dynamisches Duo

Karate ist ja, wenn man nur tief in sich hineinblickt, eine zutiefst individuelle Kampfkunst. Natürlich trainieren wir gern in unseren Gruppen und mit unserem Partner*innen, aber im Grunde ist man ja mit sich und seinen eigenen Gedanken und Entwicklung stets bei sich. Manchmal kann man sich dabei auch ziemlich allein fühlen - vor allem, wenn man, so wie ich, am 11. Juni 2022 als Trainierender bei einem Karatelehrgang beim "Delmenhorster Turnverein von 1856 e.V." (kurz "DTV") als einziger seines Dojos unterwegs war. Andererseits: So richtig allein ist man ja auch wieder nicht, in der Karate-Gemeinde erkennt man sich ja schnell wieder. So auch hier: Der Ausrichter des Lehrgangs ist mir von einigen Trainings als Gast in Delmenhorst bekannt und ich habe mich gefreut, wieder gemeinsam trainieren zu können. Außerdem zieht es mich als ehemaliger Delmenhorster (ich habe in meiner Jugendzeit in den wilden 80ern in Delmenhorst mit dem Karate im "Sportstudio Delmenhorst" begonnen) immer wieder gern in heimische Gefilde.
  
Also: Wetter und Motivation waren top, und nach einem herrlichen Kaffee von der perfekt organisierten Schnabuliertheke ging es dann auch schon ab ins Dojo. Als erstes fällt der Blick natürlich auf den Shomen. In diesem Fall ließ sich der DTV mal wieder nicht lumpen und mit Ausnahme der obligatorischen Schwarzweißaufnahme von Sensei Funakoshi begrüßte mich ein riesiges Torii-Tor sowie die fünf Dojokun auf einem separaten Plakat. Sofort wird dem eifrigen Karateka von Außerhalb klar: trotz der doch eher sportlichen Ausrichtung des Dachverbandes wird in diesem Dojo die Tradition noch gelebt. Wie erfreulich!  

Sensei Hartl (5. Dan) gab bei uns Fortgeschrittenen die erste Einheit. Sein Einstieg in den Schwerpunkt seines Trainings sorgte zunächst für ratloses Stirnrunzeln: dynamisches (sprich: kumite-lastiges) Kihon. Steht doch die Dreifaltigkeit des traditionellen Shotokantrainings aus Kihon, Kata und Kumite eher für klassisches Training mit bekannten Abläufen, variierte Hartl bestehende Kihon-Übungen (wie z.B. Uchi-Uke/Gyaku-Zuku Kombinationen) mit blitzschnellen Suri-Ashi/Zuki-Wasa Bewegungen, die alle Mitübenden schnell ins Schwitzen brachten. Nicht nur die Übungsform an sich war anspruchsvoll, auch rein kognitiv brauchte es einige Zeit, aus dem üblichen Bewegungsmustern auszubrechen und nach einer Kombinations-Schlusstechnik mit Kime und tiefem Stand wieder dynamisch noch vorne zu schnellen. Insgesamt eine erste Trainingseinheit mit viel technischem Input, erfrischenden Perspektiven und Ideen für das eigene Training.  

Sensei Mansouri startete dann im zweiten Durchlauf mit der Kata Chinte. Auch hier gab es unzählige Impulse für die eigene Verbesserung der Kata. Es ist immer wieder interessant zu erfahren, wie viele unterschiedliche "Stellschrauben" existieren, an denen man als begeisterter Karateka immer wieder drehen kann, um Fehler zu beheben oder die Kata für sich zu verbessern. Hartl nahm diese Kata dann in der finalen Einheit wieder auf und führte die Elemente beider vorheriger Einheiten zu einer dynamischen Bunkai der Chinte zusammen. Dabei kam es dankenswerterweise zu keinen Verletzungen und jede Menge Spaß bei der eigenen Ausarbeitung des Gezeigten.  

Als krönender Abschluss übergab Rolf Haferkorn (6. Dan) nach vielen Jahren die Abteilungsleitung der Karatesparte an Jan Sievers ab. Auch, wenn ich Rolf nur vom Sehen kenne und wir außer auf einigen wenigen Lehrgängen wenig miteinander zu tun hatten, war es für mich völlig klar, dass dies ein sehr bewegender und emotionaler Moment ist und ich fühlte mich geehrt, in diesem Moment dabei gewesen zu sein. Mit einem Paukenschlag endete dann der rundum gelungene Lehrgangstag - und das ist wörtlich zu verstehen: Rolfs zweites Hobby ist nämlich das Taiko-Trommeln. Mit zwei wirklich beeindruckenden Stücken auf der Taiko läutete Rolf sowohl das Ende des Lehrgangs als auch die Übergabe der Abteilungsleitung an Jan ein.  

Alles in allem bleibt mir nur noch zu sagen, dass es mal wieder ein herrlicher Karatetag in Delmenhorst gewesen ist. Ein solches Event trotz Corona auf die Beine zu stellen, will schon etwas heißen und bedeutet eine Menge Schweiß und Ausdauer schon in der Vorbereitung. 

Gelohnt hat sich dies allenthalben!  Auch das sympathische Trainerduo Mansouri/Hartl mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten wird mir in Erinnerung bleiben. Danke für den tollen gemeinsamen Tag in Delmenhorst. Ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen!  

Andy Troska 
TENDOKAN STADE e.V.